Bilder einer Ausstellung

Dauer:
18. September bis 1. November 2016
Künstler:
Eröffnung:
Sonntag, 18. September 2016 - 15:00 Uhr
Pressemitteilung:


Einführung von Prof. Dr. Bernd Goldmann

Es ist wunderbar, einen Sonntagnachmittag in der Kunstmühle
in Mürsbach mit guten Gesprächen, angeregt durch die Kunst eines Bamberg sehr
zugetanen Künstlers zu verbringen. Wolfgang Schröder ist kein Unbekannter, hat
er doch Bilder in einer großen Ausstellung im coe präsentiert, war er doch bei
der Ausstellung „Ewige Weite“ im Bamberg Dom mit zwei großen Arbeiten
vertreten, kann man schließlich eines seiner Werke im Foyer des Hotel Nepomuk
bewundern. Dennoch, Aufmerksamkeit zu erregen, ist keine einfache Sache für die
Kunst. Für deren Beachtung müssen wir uns alle als Freunde der Kunst einsetzen.
Sie, meine Damen und Herren, werden heute eine Überraschung erleben, eine
Überraschung deshalb, weil der Maler Wolfgang Schröder uns sein Programm
vorstellt. Schlüssig hat er die hiesige Ausstellung „Bilder einer Ausstellung“
genannt. Es handelt sich nicht allein um eine Hommage an Mussorgski, der mit
dem gleichnamigen Klavierzyklus eine der ersten Programmmusiken geschaffen hat
und dies aus dem Impetus heraus, an die sehr bedeutende Ausstellung von
Gemälden und Zeichnungen seines verstorbenen Freundes Viktor Hartmann zu
erinnern. Ravel nutzte die Komposition als Grundlage für eine wunderbare Orchesterbearbeitung
– als ein Beispiel der Adaption – und Schröder als Leitfaden für seine
Präsentation. Sie, meine Damen und Herren, sollten in besonderer Weise bei
ihrem Rundgang ein Augenmerk auf diese Idee haben und sich in die Arbeit6en des
Künstlers einlesen. Darauf komme ich noch zu sprechen. Er zeigt uns quasi als
homo ludens seine Adaption und Übersetzung hier im Erdgeschoss eines Masaccio,
auf der Galerie die der französischen Maler des Rokoko bevor in den Zeitläuften
fortfährt und zu den Namen kommt, die für das Zeitalter des französischen
Spätimpressionismus stehen. Die Namen stehen für eine bestimmte von diesen
schon benutzte Farbpalette, die Schröder uns gekonnt malerisch nahe bringt und
soweit verfremdet, dass die Namen fast übersehen werden können. Namen sind sein
Beginn; der Primat der Farbe ist aber unumstößlich. Um uns gemeinsam
einzustimmen, das Einlesen zu erleichtern, ja im besten Sinne uns hinzuführen,
lassen Sie mich einen Satz von Mark Rothko zitieren: „Ich glaube nicht, dass
die Frage jemals war, abstrakt oder gegenständlich zu sein. Es kommt darauf an,
dieses Schweigen und diese Einsamkeit zu beenden, zu atmen und seine Arme
wieder auszustrecken.“ Gehen wir auf das Werk des Künstlers zu und entflechten
wir die abstrakten oder gegenständlichen Teile – so sie überhaupt in der
erwarteten Weise vorhanden sind. Kurz zur äußeren Biographie: Wolfgang
Schröder, geboren 1943 in Idar-Oberstein, studierte 1965 bis 1970 an der
Hochschule für Bildende Künste in Hamburg bei Allen Jones und David Hockney
beispielsweise. Er gewann das begehrte und berühmte Villa-Massimo-Stipendium,
weshalb er sich 1976 in Rom aufhielt. 1977 wurde der Maler mit dem Kunstpreis
„Forum Junger Kunst“ ausgezeichnet; es folgten weitere Anerkennungen.
Vielfältige Ausstellungen an wichtigen Kunstplätzen in Deutschland machten ihn
bekannt. Doch wo kommt Wolfgang Schröder her, ich meine nicht, dass er heute in
Berlin lebt, sondern, wo finden wir seine geistige Heimat, seine Anfänge von
denen er sich bis zur heutigen Aussage weiterentwickeln konnte. 1970 schuf er
einen schwarzen, polierten Grabstein in überkommenem Designe mit Landschaft und
Komet über „AVE“. Dazu äußerte er sich folgendermaßen: „Viele amerikanische
Künstler wehrten sich gegen literarische Inhalte, weil sie in ihnen das Erzübel
der europäischen Malerei sahen. Mich reizte gerade dieser Umstand …“ In der
Folge entstanden Worte und Wortfragmente auf schwarzen, spiegelblanken
Glasscheiben, aber auch auf Leinwänden, die modrig daherkamen – in braungrün,
eine Vergänglichkeit vermittelnd. Schon damals arbeitete Wolfgang Schröder in
umfangreichen Themenkomplexen wie den 
Dichterzyklen über Dichter der englischen Romantik, nennen wir
beispielhaft Keats, Shelley oder Byron, der französischen Dichter (la France
Littéraire) und der deutschen Lyriker Platen und Mörike. Schröder schafft sich
mit diesen Zyklen sein Orpid im Mörikes Sinne. 1975 entstehen Leinwände mit
Schriftzügen, die in der Farbe untergehen. Die Arbeiten kommen also daher als
eine Mischung aus literarischer, wie halbabstrakter Kunst. Er wird damit nicht
zu einem Literaten, da das Kopf-Bauch-Verhältnis immer noch zugunsten einer
reinen Malerei sich entscheidet. Manche Arbeiten sind fast kinetisch aufgebaut.
Die Serie mit den großen, meist schwarzen Kreisen wie beispielsweise das
Gemälde im Hotel Nepomuk entwickeln beim längeren Hinschauen eine Kraft, die
Farbe und Motive sich im Bild bewegen lassen. Das längere, genaue Hinschauen
eröffnet uns erst die Spiritualität der Arbeiten von Wolfgang Schröder. Er
liest für uns die Welt mit einer autonomen, abstrakten Bildsprache -   nicht anders wie es Mark Rothko und Barnett
Newman, aber auch Pollock und Kasimir Malewitsch getan haben. Letzteren erwähne
ich wegen der Reduktion der Mitteilung auf Quadrate und Kreise, wie es eben auch
Schröder zu gestalten versteht. Allerdings sind die von Malewitsch Flächen,
während die unseres Malers keine Flächen bleiben, sondern ein ungeheures
Volumen entwickeln. Über die entfaltete Energie, die fast in eine Bewegung
übergeht, sprach ich schon. Der Rhythmus der Farben bilden ein wichtiges
Fundament des Bildes. Schröder entwickelt geradezu eine Lust zu ent-decken und
Farbschattierungen mittels der von ihm praktizierten Lasurtechnik zu einem
malerischen Prinzip zu entwickeln. Wolfgang Schröder spricht nicht selten von
dem wunderbaren und inzwischen mit Erfolg restaurierten und damit
wiedererstandenen Bild von Caspar David Friedrich „Mönch  am Meer“, dessen Bildraum Kleist und Brentano
als „Einförmigkeit und Uferlosigkeit“ bezeichnen. Sehen wir uns die Farbigkeit
an. Sam Francis sagte über den erwähnten Mark Rothko: „Rothko versucht Gefühle
durch Farbe auszudrücken“. Gilt das nicht ebenfalls für Wolfgang Schröder?
Beide sind sich einig in der malerischen Eloquenz. Allein Rothko betont  Farbflächen, Schröder schafft Farbflächen in
der delikaten Malerei; er arbeitet eben nicht mit pastosem Farbauftrag, sondern
führt die Ölfarbe durch das Schleifen fast in die Durchsichtigkeit zurück, die
er eh nicht dick aufträgt, zum Teil abschleift, um die Schicht dünner und damit
durchscheinender zu erfahren. Farbflecken werden aufgetragen und in gleicher
Weise reduziert, was sich als Widerspruch 
zum Untergrund benimmt. Das Bild beginnt zu leben und der oberflächliche
Betrachter weiß nicht warum. So setzt der Farbraum Akzente, die einer Realität
entbehren, die aber konkret und spirituell zugleich sind wie die Farbe in ihrer
Materialität und ihrer Geistigkeit. Es entstehen transparente Farbfelder und
ein diffiziler Reichtum an Farbkontrasten. Wolfgang Schröder erreicht damit
eine Intensität zwischen Leuchten, hintergründigem Glühen, Verfließen, Dämmern
bis hin zu einem Verdüstern. Die Tiefe und entstandene Räumlichkeit täuschen
damit trompe-l’oeil-artig ein Relief vor, das die Spiritualität noch
unterstreicht. Diese Spiritualität wird gebrochen, durch die Namen der Maler.
Die Buchstaben der Namen sind stets rhytmisch angeordnet, entweder als Wort, d.
h. als Name, oder als Buchstabe bewusst so zerlegt, dass das Lesen von links
oben nach rechts unten, also in gängiger Weise, zu dem gewünschten Namen kommen
muss. Unspektakulär will Wolfgang Schröder unabhängig von der Anordnung der
Schriftzeichen in einfacher Helvetika verstanden wissen. Sie sind Ausgangspunkt
jeglicher Malerei und jeglicher Farbbestimmung. Entscheidend ist die Harmonie,
die er herzustellen vermag – die Schönheit liegt in besonderer Weise in der
erzeugten Ruhe, die er trotz des Gegensatzes zwischen den Buchstaben und der
delikaten Gestaltung der Fläche herzustellen vermag. Und so lesen wir
„Vuillard“ oder „Bonnard“ oder „Fragonard“ oder gar „Frau Angelico“
beispielsweise und fragen uns nach der Bedeutung der Persönlichkeiten für den
Künstler. Dieser erklärt in verschiedenen Gesprächen, die Namen assoziativ zu
verwenden, d. h. sie erinnern ihn von der Persönlichkeit oder vom Werk heraus,
das ihm insbesondere gegenwärtig ist und stets zur Auseinandersetzung anregt.
Vielleicht ist es auch nur das Wort von  Pierre
Bonnard, was Wolfgang Schröder vorgeschwebt hat und dem er gerecht werden will:
„Die Hauptsache ist die Fläche mit ihrer Farbe und ihren Gesetzen, noch vor
denen der Objekte.“

Bernd Goldmann